Welterbe mit Schieferdach

Das „Schweizer Haus“ im Potsdamer Stadtteil Klein Glienicke wurde 1867 nach Schweizer Vorbild in romantisierender Architektursprache fertiggestellt. Nach aufwendiger Sanierung durch das Berliner Architekturbüro Linie Creutzfeldt Architekten erinnert der Bau heute wieder an eine wechselvolle Geschichte zwischen mondäner Noblesse und DDR-Tristesse in Grenzlage. Das zuletzt mit Bitumen eingedichtete Dach wurde mit Schiefersteinen von Rathscheck eingedeckt, um eine bauzeitlich-ästhetische Anmutung zu erreichen.
Durch seine traumhafte Umgebung inmitten urwüchsiger Natur gilt Klein Glienicke seit jeher als idyllisches Kleinod. Diese besondere Lage wusste auch schon Prinz Carl von Preußen zu schätzen. Zwischen 1862 und 1867 ließ der dritte Sohn von König Friedrich Wilhelm III. in Sichtweite zum Jagdschloss Glienicke neun Häuser nach Schweizer Vorbild durch den Architekten Ferdinand von Arnim errichten. Ein zehntes Schweizer Haus ließ ein Privatmann bauen.
Während der deutschen Teilung lag Klein Glienicke als Ost-Enklave auf West-Berliner Gebiet und war nur über eine kontrollierte Parkbrücke erreichbar. Im Zuge des Mauerbaus hatte sich die DDR-Führung deshalb entschieden, zahlreiche Gebäude der einst prachtvollen Gemeinde komplett abzubrechen, um so eventuelle Fluchtversuche unterbinden zu können. Zu den seinerzeit zerstörten Bauten zählen auch fünf der neun Schweizer Häuser. Der verbliebene Rest des Ensembles gehört seit 1991 zum Denkmalbereich Berlin Potsdamer Kulturlandschaft und damit zur Liste der Weltkulturerbe.
Ein Schweizer Idyll in preußischer Landschaft
„Charakteristisch für die Schweizer Häuser sind die weit auskragenden Dächer, die aufwendigen Holzschnitzereien an Balkonen und Austritten sowie die reich verzierten Fassaden auf einem massivem Felssteinsockel“, beschreibt Magnus Creutzfeldt die charakteristischen Merkmale des Schweizer Haus-Stils, der im 19. Jahrhundert das damalige Ideal von Naturverbundenheit verkörperte. „Die Idee des Bauherrn war verbunden mit der Illusion, über die Alpen nach Italien zu reisen – also mit dem Pferd durch ein Quartier von Schweizer Häusern zum Schlossgarten Glienicke mit seiner italienisch anmutenden Architektur von Peter Josef Lenné zu reiten.“
Als das Berliner Büro Linie Creutzfeldt Architekten 2021 mit der Sanierung des Hauses beauftragt wurde, da präsentierte sich das Gebäude baulich stark gealtert. Die Spuren von 160 Jahren wechselvoller Geschichte zeigten sich insbesondere am Holzdach mit seinen zahlreichen provisorischen, weit vom ursprünglichen Zustand entfernten Instandsetzungen. Der Originalgrundriss und vieles der historischen Bausubstanz waren aber weitgehend erhalten geblieben.
„Ziel der denkmalgerechten Sanierung war es, die bauzeitliche Gestaltung wieder hervorzubringen und gleichzeitig die Patina des Gebäudes zu erhalten“, berichtet Magnus Creutzfeldt. Die besondere Herausforderung dabei: Die Fassaden waren einst geschmückt durch reiche Ornamente aus Gips, Sand und Kalk, die bauzeitlich von Kunstmalern imitierte Holzstruktur ist dagegen bis heute erhalten geblieben. Creutzfeldt, selbst vor seinem Architektur-Studium ausgebildeter Zimmermann und aufgewachsen am Bodensee: „Mit dem alpinen Blockhausbau Holzbau hatten die norddeutschen Baumeister in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wenig Erfahrung und so imitierte man beispielsweise Schnitzereien mit den handwerklichen Techniken, die man beherrschte.“
Ausgehend von dieser besonderen Situation folgte ein zwölfmonatiger Abstimmungs- prozess mit allen Beteiligten, bevor die siebenmonatige Bauphase beginnen konnte. Ausgehend von einem restauratorisches Gutachten wurden dabei in Zusammenarbeit mit den Restauratorinnen von Hirsch, Rütt und Partner Putzschichten ergänzt oder erneuert, die künstliche Holzmaserung auf dem Putz mit zwei Schichten Silikatfarbe originalgetreu nachempfunden und die in Stuck imitierten Holzverzierungen nachgebildet. Ebenso wurden Holz-Balkone instandgesetzt und schadhafte Balkenkonstruktionen originalgetreu ergänzt.




Impressionen vom Schweizer Haus
Neues Schieferdach nach historischem Vorbild
Ein zentrales Element der Restaurierung war die Sanierung des 270 Quadratmeter großen, um 22 Grad geneigten Satteldachs mit seinen großen Dachüberständen. Zuletzt war die Fläche zu DDR-Zeiten mangels Kapitals und vorhandener Alternativen mehrfach mit Bitumen abgedichtet worden, zur Instandhaltung von Traufleisten und Ortgängen war notdürftig günstiges „Duroplast“ zum Einsatz gekommen. Im Rahmen der Sanierung wurden diese provisorischen Baustoffe wieder abgetragen und das Dach mit rechteckigen Schiefersteinen der Marke InterSIN von Rathscheck Schiefer neu eingedeckt. Das Unternehmen mit Sitz in Mayen in der Eifel zählt zu den führenden Schieferproduzenten weltweit und besitzt eigene hochwertige Vorkommen in Spanien: „Mit der Wahl dieses Millionen Jahre alten Materials sind wir der Originaleindeckung am nächsten gekommen“, wie Magnus Creutzfeldt erklärt. „Hinzu kommt, dass Schiefer ein nachhaltiges Naturmaterial ist, das durch seine Langlebigkeit bei einer Denkmal-Sanierung unschlagbar ist.“
Hinterlüfteter Dachaufbau
Im Vorfeld der Neueindeckung wurden zunächst die vorhandenen Dachbalken durch die Mitarbeiter der beauftragten Zimmerei Schmiechen & Grüber GmbH in Teilen erneuert. Das betraf insbesondere verschiedene teilweise freiliegenden Konstruktionshölzer, bei denen der konstruktive Holzschutz nicht so gut ausgeführt war und sich im Laufe der Zeit Fäulnis ausgebreitet hatte. Sämtliche weiteren Dacharbeiten erfolgten durch den auf die Sanierung von Baudenkmälern spezialisierten Dachdeckerbetrieb Blank aus dem nahe gelegenen Schwielowsee. Über den Sparren brachten die Mitarbeiter des Unternehmens zunächst eine 24 Millimeter dicke Sichtschalung aus Kiefer auf, darüber folgten eine naht- und perforationsgesicherte Unterdeckbahn, eine 30 x 50 Millimeter starke Konterlattung
mit Nageldichtbahn sowie eine 40 x 60 Millimeter dicke Lattung, um abweichend vom Originalzustand einen hinterlüfteten Dachaufbau zu erhalten.
Im nächsten Schritt konnte mit der Schiefereindeckung begonnen werden. Passend zum Stil des Hauses und angelehnt an die Optik typischer Steinlege-Dächer aus dem Berner Oberland wurde eine sogenannte Rechteck-Doppeldeckung ausgeführt: „Ausgehend von der erforderlichen Höhenüberdeckung von 12 Zentimetern haben wir 60 x 30 cm große, hochkant verlegte Schiefersteine verwendet, um im Ergebnis eine sichtbare Höhe von 24 Zentimetern zu erhalten“, erläutert Dachdeckermeister Nils Blank. „Die Steine der dritten Reihe überdecken die Steine der ersten Reihe somit um 12 Zentimeter.“ Das Ergebnis überzeugt auf den ersten Blick: Die lediglich fünf Millimeter dünnen, im halben Verband angeordneten und jeweils mit mindestens zwei Schiefernägeln befestigten Steine von Rathscheck Schiefer verbinden das historisches Vorbild mit geringem Flächengewicht und zeitlos-ästhetischer Anmutung.
Individuelle Lösungen
Besondere Lösungen erforderten insbesondere die verschiedenen Dachabschlüsse. Das betrifft zum einen den abgetreppten Traufbereich mit dem als Verzierung integrierten Schleierbrett: „Für einen sicheren Aufbau wurden zusätzlich ein dreifach gekanteter Traufstreifen, ein Lüftungsgitter sowie ein zusätzliches Abtropfblech auf der Traufkeilbohle integriert“, so Magnus Creutzfeldt. „Darüber hinaus haben wir im Bereich der Dacheinschnitte zusätzliche Ableitbleche eingefügt, die auf die Hauptdachflächen entwässern, um rückspritzendes Wasser an den stirnseitig angrenzenden Traufdeckungen zu verhindern und so die fehlende Regenrinne zu ersetzen.“
Für einen zusätzlichen Schutz gegen Regenwasser sind sämtliche Ortgänge als Zahnleiste und mit 80 Millimeter überstehenden Schiefersteinen ausgeführt: „Eine Besonderheit der Dachkonstruktion ist außerdem der zweiseitig eingerückte Lüfterfirst, der von der Giebelseite her um rund zwei Meter eingerückt wurde, um die entstandene 'Dachhaube' giebelseitig nicht sichtbar werden zu lassen“, so Nils Blank. Viele der getroffenen Entscheidungen sind dabei auch dem Verständnis und dem Mut des Bauherrn zu verdanken: „Das betrifft insbesondere den Rückbau der Dachrinne und Regenfallrohre sowie die Wiederherstellung der Bodenrinne, die sich sämtlich nicht in den DIN-Normen wiederfinden“, wie Magnus Creutzfeldt ergänzt. Im Zusammenspiel der verschiedenen Maßnahmen ist eine bautechnisch sichere Neueindeckung gelungen, die sich harmonisch in das bestehende Bild einfügt und die gleichzeitig auch den hohen Ansprüchen der Denkmalpflege genügt.

Schweizer Haus
Objekt: „Schweizer Haus“ in Klein Glienicke
Bauherr: privat
Planung: Linie Creutzfeldt Architekten, Berlin
Dacharbeiten: Blank Dachdeckerei GmbH, Schwielowse
Schieferdeckart:
Rechteck-Doppeldeckung von Rathscheck Schiefer
Marke: InterSIN®
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